Gelebte Achtsamkeit
- Edit Diamant

- 10. Nov.
- 3 Min. Lesezeit

Vor Jahrzehnten hat Jon Kabat-Zinn die Achtsamkeit populär gemacht. Seine Grundidee war genau das, worum es bei Achtsamkeit geht, die Wahrnehmung des Moments. Darum, die Gedanken leiser werden zu lassen, die über Vergangenheit, Zukunft, Möglichkeiten kreisen. Dass wir uns in Momenten der Achtsamkeit darauf fokussieren, was JETZT gerade ist. Den gegenwärtigen Augenblick einfach wahrnehmen, ohne ihn zu bewerten. Ohne Ziel, ohne Plan, ohne Zweck.
Doch im Laufe der Zeit hat sich eine ganze Industrie um die Achtsamkeit gebildet. Und damit ist fast das Gegenteil dessen entstanden, was ursprünglich gemeint war. Achtsamkeit wird heute oft als Werkzeug genutzt, um in unserer schnellen, fordernden Welt noch mehr zu leisten, noch produktiver zu werden, uns noch besser anzupassen. Achtsamkeit hier, Achtsamkeit da. Und viele denken: Ich muss Achtsamkeit üben, damit ich mehr aushalte. Damit ich den Alltag irgendwie schaffe. So wurde Achtsamkeit zu einem weiteren Überlebensmechanismus.
Viele verbinden sie heute mit etwas Esoterischem oder mit einer perfekt vorbereiteten Meditationssession. Und genau das macht es schwer, den ursprünglichen Kern zu spüren. Ein ideales, achtsames Leben könnte tägliche Meditationen, Routinen und Rückzug beinhalten – ja. Aber die meisten von uns leben in einer Welt, die mit unglaublicher Geschwindigkeit weiterrast. Immer schneller, höher, weiter. Immer weiter weg vom Moment. Kaum Zeit, und wenn, dann nur kurz, um noch produktiver weitermachen zu können. Achtsamkeit wird dadurch oft mit etwas verbunden, das „zu viel Zeit kostet“. Also bleibt sie unerreichbar oder wird auf später verschoben, falls „nichts dazwischenkommt“.
Aber ist das wirklich so?
Ist es wirklich nicht machbar, achtsam durch die Welt zu gehen? Ist es unerreichbar, morgens die Tasse Kaffee in die Hand zu nehmen, das Material der Tasse zu spüren? Sie vor die Nase zu halten, den warmen Dampf zu sehen, den Duft einzuatmen? Zu spüren, wie dieselbe Luft durch die Nase in den Körper gelangt, durch die Luftröhre bis in die Lunge? Dann die Tasse an die Lippen zu führen, die Flüssigkeit im Mund zu schmecken?
Oder morgens beim Zähneputzen den Boden unter den Füßen zu spüren. Einfach zu merken, dass du stehst, dass dich der Boden hält.
Diese Kleinigkeiten erleben wir jeden Tag, und sagen wir immer noch: Ich habe keine Zeit. Dabei sind das nur winzige Momente, kleine Bewegungen. Und genau das sind achtsame Momente, in denen wir einfach wahrnehmen können.
Wenn du jetzt denkst, dass Achtsamkeit nur aus kleinen, idyllischen Augenblicken besteht, verschiebe bitte deinen vorgeformten Glauben darüber ein wenig. Denn es geht weiter.
Wenn wir über Achtsamkeit sprechen, sprechen wir über JEDEN Moment. Auch über die lauten, herausfordernden - zumindest herausfordernd für unser Ego.
Zum Beispiel, wenn du Ärger oder Wut spürst.
Meistens suchen wir dann sofort nach einem Ausweg aus diesen Gefühlen oder versuchen, sie zu unterdrücken. Wir wollen abreagieren, flüchten oder schmieden schon Rachepläne. Und das ist nur allzu menschlich. Also akzeptiere bitte dieser, denn das ist deine Menschlichkeit.
Nimm wahr, was gerade JETZT ist. Akzeptiere dein Gefühl. Es ist da und es darf da sein. Nimm wahr, was in deinem Körper passiert. Dass du atmest, dass dein Herz schlägt. Lass es da sein, ohne es zu bewerten.
In diesem Moment nimmst du einfach wahr, was ist. Das gehört zu den Erfahrungen, Mensch zu sein.
Was jetzt ist, darf sein, ohne Ego.
Oder ein anderes, erfreulicheres Beispiel:
Wenn du feiern gehst oder tanzt. Du bist während des Tanzens im Moment. Du nimmst wahr, dass dein Körper sich bewegt, dass Menschen um dich sind, dass Düfte, Stimmen, Musik dich umgeben. Du spürst den Boden unter deinen Füßen. Du nimmst wahr.
Oder in Gesprächen.
Oft hören wir nicht wirklich zu, sondern nur das, was wir hören wollen, was wir verstehen, oder schon selbst erlebt haben. Kaum hat der andere ausgesprochen, legen wir mit unserer Meinung los. Achtsames Zuhören kann Beziehungen verändern. Wenn du wirklich zuhörst, hörst du auch, was nicht gesagt wird. Du nimmst Gefühle, Stimmungen, Zwischentöne, ohne sie durch deinen Verstand zu filtern, wahr.
Ein ganz einfacher Moment zum Schluss:
Du hältst einen Gegenstand in der Hand. Du spürst seine Temperatur, die Stellen, an denen er deine Haut berührt. Nicht wie er sie berührt, sondern dass er sie berührt.
Es sind Bruchteile von Augenblicken – und genau das ist Achtsamkeit.
Der Moment, DASS etwas geschieht, nicht das wie, was, wohin, warum.
Wahrnehmen. Registrieren. Annehmen.
So einfach kann Achtsamkeit gelebt werden.
Ich danke dir fürs Lesen und wünsche dir, dass du an der einen oder anderen Stelle einen achtsamen Augenblick genießen konntest.
(Dieser Beitrag wurde verfasst von unserer lieben Coachin Edit Diamant)
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